Zurück

Subjektivierung: Kultur und Privatheit

Martin Dornes:
Erziehungswandel und seine Folgen für die Psyche: Die postheroische Persönlichkeit
Der Vortrag beschäftigt sich mit der Verfassung des zeitgenössischen psychischen Apparats. Er geht von der Prämisse aus, dass Veränderungen in der Erziehung, wie sie seit 1968 zu konstatieren sind, nicht ohne psychostrukturelle Folgen bleiben. Vier Möglichkeiten werden skizziert. Moderne Erziehungspraktiken und Lebensbedingungen führen a) zu einer regressiven Entdifferenzierung der Psyche, b) zu einer progressiven Differenzierung, c) zu einem bloßen Oberflächenwandel, der ihre Tiefenstrukturen unberührt lässt oder d) zu einem ambivalenten Wandel, der zu größerer intrapsychischer Freiheit, aber auch zu größerer Verletzlichkeit führt. Danach werden mögliche soziale Folgen dieses Wandels behandelt sowie makrosoziale Quellen psychischer Verunsicherung diskutiert.

Dr. habil. Martin Dornes, Soziologe; Mitglied im Leitungsgremium des Instituts für Sozialforschung an der Goethe-Universität Frankfurt am Main
Zur Mitarbeiterseite

Heiner Keupp
Identitätsarbeit in der Spätmoderne als Kampf um Inklusion, Kohärenz und Selbstbestimmung
Identitätsarbeit hat die Sicherung der Selbstpositionierung der Subjekte in ihrer Welt zum Ziel und stellt einen permanenten Prozess der Subjektivierung dar. Die Erste Moderne setzte dafür einen Rahmen relativ stabiler Bezugspunkte. Die Erreichbarkeit von Inklusion, Kohärenz und Anerkennung war durch kulturelle Schnittmuster und Grenzmarkierungen vorgezeichnet. Die gesellschaftlichen Konstitutionsbedingungen der Spätmoderne entziehen den Subjekten zunehmend die Grundrisse identitärer Selbstverortung. In den entstehenden Zonen der Diffusität, Ungewissheit und Ambivalenz müssen die Subjekte immer mehr zu Architekten oder „Unternehmer“ ihrer selbst werden. Dies kann – nicht zuletzt befeuert durch die Menschenbildkonstruktionen des neoliberalen Mainstreams - zu einer endlosen Steigerungsspirale der Selbstinszenierung führen, die weder Maß noch Ziel hat. Die aktuellen Befunde zu einer erheblichen Zunahme depressiver Erschöpfungszustände lassen sich als Indikator dieser Entwicklung lesen.

Prof. Dr. Heiner Keupp, Sozialpsychologe; bis 2008 Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität, München
Zur Mitarbeiterseite

Nikola Tietze:
Zugehörigkeit und Kritik
Der Vortrag nimmt eine Subjektivierung in den Blick, die auf sub- und transnationaler (religiöser, sprachlicher und nationalistischer) Gemeinschaftsimagination basiert. Dabei werden in einer handlungssoziologischen Analyse innere Strukturierung und normative Pointierungen entsprechender Zugehörigkeitskonstruktionen sichtbar. Diese erscheinen zugleich als Ausdruck der Kritik an gesellschaftlichen Statuszuschreibungen, institutioneller Praxis und zur Anwendung kommenden politischen Normen.

Dr. Nikola Tietze, Soziologin; Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Arbeitsbereich „Nation und Gesellschaft“ des Hamburger Instituts für Sozialforschung
Zur Mitarbeiterseite

Moderation: Beate Rössler
Prof. Dr. Beate Rössler, Philosophin; Professorin für Ethik und Ethikgeschichte an der geisteswissenschaftlichen Fakultät der Universität Amsterdam
Zur Mitarbeiterseite