Formwandel von Herrschaft und Gewalt
Bernd Greiner:
Über die Wiederkehr entgrenzter Gewalt in asymmetrischen Kriegen
Gewalt zu verstehen, ist und bleibt eine zentrale Herausforderung für Geschichts- und Sozialwissenschaften. Mehr noch: Eine Gesellschaftstheorie, die sich keinen Begriff des Gewalttätigen macht, ist ein Torso. Der Vortrag verdeutlicht am Beispiel asymmetrischer Kriege, in welcher Weise und mit welchen Folgen die gesellschaftliche Disposition des „Starken“ die Kriegsführung gegen den „Schwachen“ bestimmt und wie die Gewaltdynamik des Krieges ihrerseits auf Gesellschaftliches zurückfällt, welche Spuren sie dort hinterlässt – und was daraus für die Theorie über Gesellschaft folgt.
Prof. Dr. Bernd Greiner, Historiker und Politologe; Leiter des Arbeitsbereichs „Theorie und Geschichte der Gewalt“ des Hamburger Instituts für Sozialforschung
Zur Mitarbeiterseite
Christoph Lau:
Subjektivierung von Macht und Entgrenzung von Herrschaft
Kennzeichnend für die institutionelle Ordnung der modernen Gesellschaft waren bislang die Abgrenzung von Macht und Herrschaft einerseits und von Macht und Freiheit andererseits. Beide Unterscheidungen beginnen im Übergang zur reflexiven Moderne uneindeutig zu werden. Anstelle fest umrissener und kontrollierbarer Handlungs- und Verantwortungssphären sehen wir uns mit einer Welt kaum durchschaubarer Vernetztheit und ungeregelter Machtspiele konfrontiert. Dies gilt nicht nur für den Finanzsektor, sondern in unterschiedlicher Weise auch für viele andere Bereiche. Es gilt z.B. auch für die Nationalstaaten, die Machteinbussen hinzunehmen haben und miteinander um neue Spielregeln der Politik kämpfen. Es trifft aber auch für Unternehmen zu, deren Dezentralisierung und innere Vermarktlichung die Unterscheidung zwischen Organisation und Markt in Frage stellen. Und schließlich führt die Subjektivierung und Flexibilisierung von Arbeit zu neuen Kombinationen von Autonomie und Kontrolle, die auch die herkömmliche Unterscheidung von Arbeit und Leben unscharf werden lassen.
Prof. Dr. Christoph Lau, Soziologe; Lehrstuhl für Soziologie an der Universität Augsburg
Zur Mitarbeiterseite
Tobias ten Brink:
Renaissance der Geopolitik? 'Post-militärische' Gesellschaft und außenpolitische Gewalt
Der Beitrag möchte auf eine vernachlässigte Ebene sozialwissenschaftlicher Gewaltforschung hinweisen – die fortwährende Bedeutung außenpolitischer Gewaltandrohung und -anwendung. Die räumlichen Kontrollstrategien entwickelter, häufig als post-militärisch bezeichneter, Staaten deuten auf eine Kontinuität geopolitischer Handlungen zur Regulierung inter- und transnationaler Beziehungen hin, wenngleich das Mischungsverhältnis zwischen weichen und harten Formen der Machtausübung erheblichen Schwankungen sowie neuartigen Begründungsmustern unterliegt. Dieser Befund stellt Thesen einer „Entstaatlichung“ der Gewalt ebenso in Frage wie die modernisierungstheoretische Hoffnung auf eine rasche Pazifizierung der Welt und verweist damit auf die Ambivalenz von Zivilisierungsprozessen in der kapitalistischen Moderne.
Dr. Tobias ten Brink, Politologe; Mitarbeiter am Institut für Sozialforschung an der Goethe-Universität Frankfurt am Main; Postdoctoral Fellow am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, Köln; Lehrbeauftragter u.a. an der Goethe-Universität Frankfurt
Zur Mitarbeiterseite
Moderation: Claudia Weber
Dr. Claudia Weber, Historikerin; Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Arbeitsbereich „Theorie und Geschichte der Gewalt“ des Hamburger Instituts für Sozialforschung
Zur Mitarbeiterseite